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Thema: Mein Vater will mehr Kontakt als ich

Eröffnet am 23.10.2025 um 22:34 Uhr

Niklas_h
23.10.2025 22:34
Hallihallo,
Ich bin Niklas, 19 Jahre alt, ich bin gerade zum Studium von zuhause ausgezogen. Das fühlt sich für mich sehr gut an, da die Stimmung zuhause immer öfter angespannt war.
Ich hab zu meiner Schwester und meiner Mutter ein sehr gutes Verhältnis. Das zu meinem Vater ist in Teilen leider schwierig.
Wir sind oft aneinander geraten an der Frage, wie ordentlich das Haus sein muss. Auch wenn ich mich bemüht habe, habe ich es nie geschafft seine Ansprüche zu erfüllen. Wir haben es nie geschafft einen konstruktiven Umgang damit zu finden, sondern sind bei Konflikten meistens aneinander geraten. Heutzutage würde ich mich in einigen Situationen auch sehr anders verhalten. Ich habe immer wieder gemerkt, dass ich in Konflikten mit ihm meine Skills zu gewaltfreier Kommunikation und konstruktiver verständnisvoller Konfliktlösung (die ich mir in anderen Kontexten angeeignet habe) nicht anwende sondern in alte Gewohnheiten „zurückfalle“.
Zusätzlich zu diesen eigentlich eher oberflächlichen Konflikten (die unserer Beziehung aber dennoch sehr geschadet haben) kommt noch ein viel tieferer Wertekonflikt. Ich habe in den letzten Jahren viel Klaaktivismus gemacht und mich dabei bewusst auch im strafrechtlichen Bereich bewegt. Er unterstützt zwar meine Ziele kann aber die Methoden gar nicht nachvollziehen. Das hat soweit geführt, dass er weniger zu meiner Studiumfinanzierung beitragen wollte, als das ohne Aktivismus der Fall gewesen wäre. Jetzt haben wir eine Lösung gefunden, dass mehr Geld von meiner Mom als von ihm kommt, das sie aus einem vorzeitigen Erbe nimmt (da die beiden sich ihr Geld teilen wirklich ein Quatschkonzept).
Seine Ablehnung von meinem Aktivismus hat auch dazu geführt, dass wir kaum noch Gesprächsthemen haben. Ich hab nie gelernt mit meinen Eltern über emotionale Themen zu sprechen und der Aktivismus war einfach ein Großer Teil von meinem Leben im letzten Jahr. Und alle was damit zu tun hatte wollte ich ihm aus Angst vor der Reaktion einfach nicht erzählen. Besonders weil es auch oft belastend war und ich mich da von ihm nicht unterstützt gefühlt habe. Wir haben da auch einmal drüber gesprochen (einer der seltenen Momente wo wir wirklich offen kommuniziert haben), und er hat sich gewünscht dass ich alles mit ihm teile und mir versprochen nicht negativ zu reagieren aber das funktioniert halt praktisch nicht.

Insgesamt frage ich mich manchmal warum mir die Beziehung zu ihm überhaupt wichtig ist außer weil er mein Vater ist. Sicherlich übersehe ich da grade Aspekte aber bewusst fällt es mir schwer etwas zu nennen. Gleichzeitig ist ihm eine harmonische Familie und eine gute Beziehung zu mir super wichtig. Ich kann mit großer Sicherheit sagen, dass das zu großen Teilen aus Beziehung zu seiner Kernfamilie kommt. Mit seiner Schwester hat er schon vor langem den Kontakt abgebrochen und da ist viel Verletzung passiert. Seit meine Oma gestorben ist hat sich auch mein Opa sehr zurückgezogen. Er hat auf Nachrichten, Anrufe und Breife nicht reagiert und sich quasi überhaupt nicht mehr um die Beziehung zu meinem Dad gekümmert. Für ihn war das sehr verletzend. Ich glaube ein großer Teil meines Wunsches eine gute Beziehung zu ihm zu haben ist dadurch motiviert, ihm seine Hoffnung zu erfüllen mit mir eine bessere Beziehung zu führen als er die mit seinem Vater hatte.
Immer wieder habe ich aber gespürt, dass ich mich in Beziehung zu ihm nicht so richtig wohlfühle. Im Familienurlaub habe ich das Gefühl nicht zeigen zu können wenn es mir nicht gut geht. In Telefonaten erzähle ich nicht was mir wirklich auf der Seele liegt sondern wir erzählen uns oberflächlich wie unsere Tage so waren. Solche Gespräche geben mir aber überhaupt keine Erfüllung. Ich mache das nur um ihm den Schein einer funktionierenden Beziehung vorzuspielen. Ich weiß auch nicht, ob er das anders wahrnimmt oder einfach auch keinen Ausweg weiß. Mit nahezu allen anderen Personen mit denen ich Beziehungen pflege würde ich da offen drüber sprechen. Mit ihm kann ich das nicht. Ich weiß ja nichtmal was mir die Beziehung überhaupt wert ist, ob ich sie führen würde wenn er nicht mein Vater wäre.
Ich war im letzten Jahr auch schon viel unterwegs und hab da schon festgestellt dass ich froh bin mal weg zu sein und er dann oft gefragt ob wir mal telefonieren wollen und ich da gar keine Lusf drauf hatte aber ihm dann (um ihn nicht zu enttäuschen) geschrieben habe, dass ich da sehr Lust drauf hätte.

Jetzt bin ich vier Wochen ausgezogen und wie befürchtet ist der Aspekt deutlich schlimmer geworden. Er versucht krampfhaft Kontakt zu halten ich geh dadrauf ein und es geht mir nicht gut dabei. Heute hat er mich per WhatsApp gefragt ob ich denn schon wüsste wann ich mal wieder zuhause vorbeikomme. Ich hab sehr Angst ihn zu verletzen wenn ich nein schreibe. Ich spüre auch wirklich kein Bedürfnis nach Hause zu fahren. In der freien Zeit die ich habe fallen mir einige Menschen ein die ich lieber besuchen würde, als nach Hause zu fahren.
Insgesamt sind wir glaub ich in einer ziemlich gefährlichen Dynamik. Er übernimmt jede Kontaktaufnahme weil es ihm zu wenig ist. Bei mir führt das dazu, dass ich weniger Kontakt will und den eher leide. Dadurch melde ich mich noch weniger und er fühlt sich noch mehr gezwungen den Kontakt zu halten. Die Rollen sind also klar aufgeteilt und verstärken sich immer mehr. Wenn ich zwei Monate nichts von ihm hören würde, dann würde ich wahrscheinlich viel eher auf die Idee kommen mich mal zu melden und Kontakt zu suchen.
Zum Geburtstag dieses Jahr hat er mir geschenkt, dass wir mal zusammen eine Mountainbike Tour machen. Früher hätte ich mich da wohl sehr drüber gefreut. Jetz frage ich mich ob ich das eigentlich will und will ihn aber gleichzeitig nicht enttäuschen.

Mich belastet das ganze wirklich. Ich will ihm eine gute Vater-Sohn Beziehung bieten, kann da aber selber grade nichts rausziehen. In anderen Beziehungen würde ich versuchen da offen drüber zu reden, rauszuarbeiten wo sind Bedürfniskonflikte und versuchen gemeinsame Lösungen zu finden. Hier fühle ich nicht nicht fähig offen zu kommunizieren. Es würde so viel Verletzung bei ihm hervorrufen. Und eigentlich ist der Grundkonflikt sehr klar und schwer zu lösen. Er wünscht sich Nähe und Zeit mit mir aber ich grade nicht. Das kann ich ihm aber so nicht sagen, da lässt sich auch keine Lösung finden.

Ich bin ziemlich hilflos was die ganze Situation angeht. Ich hoffe sehr, dass mir hier jemensch spiegeln kann ob das nachvollziehbar klingt, wie ich langfristig eine stabile Beziehung zu ihm aufbauen kann und wie ich jetzt kurzfristig mit den Situationen umgehen kann.

Viele liebe Grüße in die Welt,
Niklas
Niklas_h
23.10.2025 22:38
Achja direkt noch eine Ergänzung:
Mit meiner Mutter ist alles viel entspannter. Sie hat mich gefragt ob wir mal telefonieren wollen und ich konnte ohne Angst vor ihrer Reaktion antworten, dass es mir grade zu stressig ist. Da war für sie okay und ein paar Tage später hatte ich selber den Impuls sie anzurufen als Zeit war. Auch schien für sie im Telefonat sehr in Ordnung, dass ich vielleicht erst Weihnachten wieder nach Hause komme. Mir ihr kann ich auch über Aktivismus gut sprechen bzw.
Ich hab auch darüber nachgedacht ob ich das meinem Vater einfach so schildere, dass ich schon von mir aus Kontakt suchen werde wenn er das nicht tut. Ich hab aber die Sorge dass das Verhältnis schon so verkrampft ist dass ich dann wieder nicht Kontakt suche weil ich das will, sondern weil ich es ihm versprochen habe…
Patrycja
Teamer(-in) 25.10.2025 22:06
Hey Niklas,
ich bin Patrycja vom Team Beratung4Kids. Vielen Dank, dass du deine Situation mit deinem Vater so offen beschrieben hast. Ich kann total verstehen, wie belastend das für dich ist. Es klingt, als würdet ihr beide viel voneinander erwarten, aber oft aneinander vorbeireden. Dass sich Konflikte immer wieder aufstauen, kann sehr frustrierend sein und auch das Gefühl geben, dass ihr nicht richtig zueinander findet. Gleichzeitig merkt man, dass dir die Beziehung zu ihm wichtig ist, und dass du dir wünschst, dass sie anders und entspannter läuft.
Es ist vollkommen nachvollziehbar, dass du einerseits Nähe und eine gute Verbindung willst, andererseits aber gerade keine Lust auf viel Kontakt hast und dich unter Druck gesetzt fühlst. Dass es bei deiner Mutter entspannter läuft und du dort offen über deine Themen sprechen kannst, zeigt, dass du eigentlich gut Grenzen setzen und ehrlich kommunizieren kannst. Dass es bei deinem Vater nicht so leicht geht, liegt nicht an dir, sondern an der alten Dynamik zwischen euch.
Vielleicht hilft es, ihm ruhig zu sagen, dass du dich meldest, wenn du Zeit und Lust auf Kontakt hast. Du übernimmst so die Verantwortung für den Kontakt, ohne dass du dich gedrängt fühlst. Du darfst Schritt für Schritt vorgehen, kleine Themen wählen oder auch erstmal Zeit für dich nehmen. Das kann helfen, die Situation zwischen euch etwas entspannter zu machen, ohne dass du dich überforderst, und schafft Raum für Momente, die euch beiden gut tun.
Das Wichtigste ist, dass du die Beziehung nach deinen eigenen Bedürfnissen gestaltest. Du musst nicht alles erzählen oder Erwartungen erfüllen, die dir gerade zu viel sind. Es ist völlig in Ordnung, dass du dir Zeit nimmst, auf dich achtest und Nähe so wählst, wie sie für dich passt. Du darfst entscheiden, wie viel Kontakt für dich richtig ist, und du darfst die Beziehung langsam wachsen lassen.

Patrycja
Teamerin
Beratung4Kids