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Thema: Studium abbrechen? oder geht es mir generell nicht gut?

Eröffnet am 04.01.2018 um 18:16 Uhr

A.fordogs
04.01.2018 18:16
Hey liebe Community!
Ich weiß nicht, ob das Thema überhaupt hier rein passt, aber ich werde einfach mal schreiben:
Seit Oktober letzen Jahres studiere ich Gender and Diversity. Ich hab lange gebraucht, um mich dafür zu entscheiden, wollte gerne was mit LGBTQ+ machen, Gleichberechtigung, gegen Rassismus etc.
Jetzt ist es aber so, dass ich nicht weiß, ob ich das wirklich weiter machen will.

1. Ich kümmer mich nicht wirklich darum. Ich gehe zwar fast immer zu den Vorlesungen und Seminaren, aber bin die meiste Zeit am Handy oder mache schweife ab und passe nicht auf. Ich würde nicht sagen, dass es mich alles nicht interessiert, aber irgendwie ist es einfach zu viel. Es war besser, als ich mich nur für mich selbst damit beschäftigt habe, glaube ich.

2. Ich habe plötzlich so viele Deadlines vor mir und es macht mich nervös und ich kriege Anxiety, wenn ich dran denke. Wir schreiben zwar nur 2 Klausuren, aber a) bin ich nicht wirklich darauf vorbereitet, weil ich ja eben fast nie aufpasse und b) müssen wir 3 "Papers" schreiben und ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Und Präsentationen müssen wir auch noch halten.
Ich kann mich aber einfach nicht dazu aufraffen, irgendwas für mein Studium zu machen, weil ich so überfordert bin und jedes Mal sofort denke "Das schaffe ich nicht, das ist alles zu viel" - was eigentlich nicht meine Art ist. Ich weiß aber halt nicht, ob es der Studiengang ist, der mir zu Schaffen macht, das Studieren generell oder, so blöd das auch klingt, einfach das Erwachsensein generell (eigene Wohnung, nur am WE zu Hause, etc.).

3. Die Freundesgruppe, die ich da habe - und die ich eigentlich echt mag, weil wir so ziemlich auf einer Wellenlänge sind: Ich will nicht sagen, dass sie ein schlechter Einfluss sind. Das "Problem" ist, dass sie alle (!) in Therapie sind wegen Depressionen o.ä. Ich habe teilweise das Gefühl, dass diese Depressivität und Angst auf mich abfärbt. Ich dachte anfangs so "hey, gar kein Problem, ich kann denen ne gute Freundin sein und für sie da sein", aber irgendwie...keine Ahnung, ich kann's nicht erklären. Und dass Depressionen und andere psychische Erkrankungen in Verwandtschaft schon häufiger aufgetreten sind, gibt mir auch nicht gerade ein tolles Gefühl.

4. Das Studium "versaut" einem einiges, weil man bei jedem Buch/Film/whatever denkt "Oh, das ist aber ganz schön frauenfeindlich" oder was auch immer. Ich kann es nicht haben, bei jedem Lied, was ich höre, um mich abzulenken, ans Studium zu denken.

5. Das Ding ist aber, ich weiß nicht, was ich stattdessen machen soll. Meine Eltern fänden es wahrscheinlich nicht schlimm, wenn ich abbreche und sage, dass es nicht das Richtige für mich ist, aber das Problem ist, ich weiß ja gar nicht, ob es nicht das Richtige ist.

6. Ich habe mittlerweile eine extreme Netflix-Sucht. Vielleicht kommt es mir auch nur so vor, aber ganz oft komme ich von der Uni nach Hause und lerne nicht oder so, sondern gucke Serien. Oder ich bin am Handy auf Instagram, YouTube und mittlerweile Tumblr. Früher hatte ich das irgendwie mehr unter Kontrolle...

Wahrscheinlich hab ich irgendwas vergessen, aber egal.


Tausend Dank schon mal fürs Durchlesen!
Steven
08.01.2018 19:40
Hallo A.fordogs,

Du erwähntest das du unsicher bist ob dieses Studium für dich richtig ist. Das kannst du nur mit dir selbst ausmachen. Jedoch bringt dir das Studium nichts wenn du dafür nicht Lernst. Ich würde dir empfehlen das Studium nur abzubrechen wenn du weißt was du stattdessen machen möchtest. Ich hoffe das ich dir irgendwie helfen konnte bei deiner Entscheidung.

Mit freundlichen Grüßen
Steven

Zuletzt editiert am: 08.01.2018 19:50, von: Steven


Steven
Bewerber (Peer)
Beratung4Kids
Bewerber sind Personen, die sich als Berater bei Beratung4Kids beworben haben und sich im Auswahlverfahren befinden
Jule04
09.01.2018 12:48
Hey A.fordogs,

ich bin Jule und auch Userin hier. Ich glaube, dass ich mich auch noch dunkel an einen Thread von dir erinnere, in dem du danach fragtest, was man in dem Bereich LBGTQ+ arbeiten kann...

Hm, also mal vorweg: Zweifel an der Studienplatzwahl sind ja nicht wirklich selten. (War bei mir auch so...) Trotzdem finde ich es gut, dass du dir Gedanken darüber machst, ob es für dich das Richtige ist.
Ob du das weiter studieren solltest, kannst du dir nur selbst beantworten, aber vielleicht mal ein paar Gedanken zu dem, was du geschrieben hast:

Sind denn alle Veranstaltungen verpflichtend? Also zum Beispiel auch die Vorlesungen? Und wie sind denn die Professoren so? Bringen die den Stoff gut rüber? Bei Veranstaltungen mit Anwesenheitspflicht kann man sich natürlich nicht aussuchen, ob man hingeht oder nicht, aberbei den anderen schon. Klar muss man den Stoff lernen, aber manchmal kann es, wenn einem die Vorlesungen eh nichts bringen, weil man nicht zuhört oder es bei der Person nicht mag/versteht, helfen, auch sinnvoll sein, sich den Stoff selbst zu erarbeiten. - Vielleicht gibt es ja zu den Inhalten, die dich ja eigentlich interessieren, auch interessante (Lehr-)bücher oder so.

Die Angst vor den vielen Anforderungen und den Deadlines kann ich gut nachvollziehen. Es scheint erst einmal sehr viel und ist auch alles wieder neu. Vielleicht könnte es dir helfen, die Sachen, die du machen musst mal zu ordnen und zu schauen, was dir denn am einfachsten fällt zu erledigen oder was dich am meisten interessiert und damit dann anfangen? Wenn du tatsächlich das Studium weiter machen solltest, dann musst du ja auch nicht unbedingt alles auf einmal machen. Niemand ist dazu gezwungen, in Regelstudienzeit fertig zu werden. (Die für meinen Studiengang zuständige Frau meinte sogar mal, dass fast die Hälfte länger studiert;) Vielleicht gibt es dazu aber auch an deiner Uni einen passenden Ansprechpartner, der dir da mehr erklären kann. Du wirst nicht die erste Person sein, der es so geht...
Ins Unileben zu starten, umzuziehen, alleine wohnen, neue Freunde finden usw. ist auch echt viel auf einmal. Und da kann es einfach sein, dass man erstmal Zeit braucht um sich zu orientieren.

Bezüglich der Konzentration bzw. dem Aufraffen zum lernen: Könnte es vielleicht helfen, wenn du die bestimmte Zeiten in der Bibliothek nimmst, in denen du arbeitest und dann auch getrennt davon zu Hause Freizeit hast?

Erstmal soviel, wenn ich es nachher oder so nochmal schaffe, kann ich ja mal schauen, ob mir noch was zum Rest einfällt, wenn du möchtest.
Ich wünsche dir alles Gute!
Liebe Grüße
Jule

Es heißt doch, alles im Leben passiert aus einem bestimmten Grund. -
Manchmal würde ich gerne wissen, was der Grund war.
Laura
Bewerber(-in) 10.01.2018 13:29
Hey,

ich kann gut nachvollziehen, wie es dir momentan geht. Mir ging das im Studium auch oft so - und ich glaube auch den allermeisten anderen. Ich würde dir gerne meine Gedanken zu einigen deiner Punkte nennen. Ob du letztendlich abbrichst bleibt natürlich deine Entscheidung.

1 & 2: Das kenne ich beides nur zu gut. Eigentlich interessiert mich mein Studienfach ja, aber Vorlesungen und Seminare können einfach super langweilig sein. Das kann an vielem liegen, z.B. dem Dozenten oder dem Thema - man findet wahrscheinlich nie alle Studieninhalte super. Die Frage ist halt wirklich, ob es sich lohnt in die Vorlesung zu gehen, wenn man schon weiß, dass man eh nicht aufpasst. Da kann man seine Energie und Zeit oft besser anderswo einsetzen. Mit der Zeit lernt man auch so ein bisschen, bei welchen Veranstaltungen es sich lohnt und bei welchen eher nicht. Zum Thema Deadlines: mir hilft es ungemein mich zu organisieren - Kalender, Zeitpläne und To-Do-Listen sind mein Ding. Benutzt du sowas momentan? Mir geht es dadurch dann immer etwas besser, weil die Arbeit nicht mehr wie ein riesiger Berg vor mir steht, sondern gut eingeteilt ist und "schaffbarer" wirkt. Außerdem hab ich auch oft einige Seminare/Vorlesungen in andere Semester geschoben. Wie schon erwähnt wurde ist es gar nicht schlimm länger zu studieren. Habe ich auch und es war die richtige Entscheidung - ich musste mich nicht bis zum geht nicht mehr stressen und musste mich nur auf wenige Dinge konzentrieren. Das ist bei dir sicherlich auch möglich. Informier dich doch mal :)

4. Ich hab während meines Bachelors auch im Nebenfach Gender und Diversity studiert und weiß genau was du meinst. Man wird viel sensibler für seine Umgebung und es fallen einem plötzlich Dinge auf, die man vorher nie wahrgenommen hat. Das finde ich einerseits auch gut - es hat Vorteile aufmerksam durch die Welt zu gehen, Missstände zu sehen und versuchen, diese zu verändern. Es kann natürlich auch belastend sein - denn manchmal will man einfach einen blöden Film oder aktuelle Musik genießen und sich keine Gedanken machen. Mein Tipp wäre: versuche dich nicht schuldig zu fühlen, auch wenn dir manchmal Dinge gefallen oder du Filme/Musik konsumierst, die nicht 1a feministisch sind. Es ist okay - wir sind alle so aufgewachsen und man muss sich nicht dafür schämen. Ich denke du bist der Allgemeinbevölkerung eh schon ein gutes Stück voraus mit deinem Wissen und deiner Sichtweise. Aber einen gewissen Abstand dazu wahren zu können, ist manchmal auch ganz wichtig.

5. Das ist natürlich eine tiefer gehende Frage. Vielleicht hast du Lust mal zur Berufs- oder Studienberatung zu gehen. Du könntest auch in den Ferien verschiedene Praktika machen um rauszufinden was dir gefällt. Auch im Bereich Gender und Diversity gibt es sicher verschiedene Alternativen. Hier hilft nur informieren und ausprobieren :)

6. Auch das ist sicherlich ein Problem vieler Studenten. Ich habe für mich festgestellt, dass mir ewiges netflixen mehr Energie und Lebenslust raubt, als das es mir Positives bringt. Aber es ist auch ein Teufelskreis. Wenn man sich nicht so gut fühlt, ist Netflix das einfachste. Dadurch fühlt man sich dann aber noch mieser und energieloser und man guckt weiter. Wie wäre es, wenn du mal etwas anderes, aktives in deiner Freizeit probierst? Einfach nur um zu gucken, wie du dich damit fühlst. Am Anfang ist es echt eine Überwindung, aber es lohnt sich. Es hilft auch sehr, aus dem Kreislauf von Depressivität rauszukommen. Ein bisschen Medienkonsum sollte aber trotzdem absolut okay sein - manchmal muss das einfach sein!

Liebe Grüße,
Laura

Laura
Forenleitung allg. Bereich und Trans*
Beratung4Kids
A.fordogs
03.02.2018 16:22
Hi und danke für die vielen Antworten, ihr habt mir alle sehr geholfen!
Im Moment geht's mir eigentlich sehr gut....ich meine, okay, der Klausurstress und die vielen Paper sind jetzt nicht so schön, aber es geht:D
Das Problem ist halt, dass wir in keinem Fach Anwesenheitspflicht haben - außer, wir müssen was präsentieren etc. Dadurch denke ich mir oft, dass ich einfach nicht hingehen kann, weil es ja eh unnötig ist, und ich besser zu Hause lerne...man muss es dann halt aber auch umsetzen:D
@Laura: das mit dem "nicht schuldig fühlen" muss ich noch üben, aber es wird schon besser glaube ich...wahrscheinlich war es einfach dieser krasse Umschwung von einem "normalen" Umfeld zu einem, wo alle plötzlich total "woke" sind etc....Ich lerne aber mittlerweile, das besser zu verknüpfen:)

Fazit: Ich mache erstmal weiter, bringe die Klausuren hinter mich, etc.

Danke noch mal an alle, die mir geantwortet haben :)

LG
Laura
Bewerber(-in) 03.02.2018 19:12
Hallo :)
Freut mich sehr zu hören! Ich wünsche dir viel Erfolg für die Klausuren/Paper!
Ich glaub diesen Prozess, den du da gerade durch machst, kennen viele die sich erstmals intensiv mit diesen Themen auseinander setzen. Aber mit der Zeit findet man seinen persönlichen Weg. Es gibt auch viele Podcasts, Blogs und Autoren, die sich mit diesen Themen auseinander setzen und dabei hilfreich sein können.

Liebe Grüße
Laura

Laura
Forenleitung allg. Bereich und Trans*
Beratung4Kids