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Thema: Ich hasse mich.

Eröffnet am 20.04.2023 um 23:19 Uhr

Adrian2
20.04.2023 23:19
Hallöchen zusammen,

es ist ein Tag wie jeder andere. Am Morgen aus dem Bett quälen, viel zu lang duschen, durchgeschwitzt zum Bahnhof rennen, Vorlesungen "anhören", alleine zu Mittag essen, wieder mit der Bahn nach Hause, Frustessen, YouTube schauen, nicht einschlafen können weil die Gedankenkarusselle eine Extrarunde drehen...
War er heute produktiv? Nein.
Hat er etwas für sich gemacht? Keinesfalls.
Möchte er etwas ändern? Jawohl.
Schafft er das? Mitnichten.

Und in diesem Alltagstrott findet sich der 19-jährige Adrian wieder; ich präferiere es, im Folgenden von mir in der dritten Person zu sprechen, weil ich mir selbst nicht eingestehen möchte, dass ich mich dermaßen heruntergewirtschaftet habe. Ich habe auch das Gefühl, dass Adrian's gesamtes Leben nur ein Schauspiel ist/war und ich eine ganz andere Person bin.

Dabei fing doch alles so gut an: Seine Kindheit war wirklich traumhaft. Wirklich.
Er war ein super aufgeschlossenes Kind, deutlich reifer als die anderen, kam mit allen möglichen Leuten klar - erstaunlicherweise besser mit Erwachsenen als mit Gleichaltrigen. Er hatte ein gewisses Etwas, war charmant (wenn man das überhaupt in dem Alter sein kann?!), super Noten, war ein Mathegenie und hatte stets Spaß - mittlerweile weiß er nicht mehr, welche Bedeutung das Wort "Spaß" hat.
Er könnte wirklich tagelang von dieser Zeit schwärmen, es ist echt das einzige was ihm momentan noch Kraft gibt: Einfach zu wissen, dass es ihm früher besser ging und es theoretisch möglich wäre, wieder zu diesem Zustand zurückzukehren.

Aber wie kam es überhaupt dazu, dass es bergab ging?
Nun, er erkannte schnell, dass sich die Welt etwas anders dreht als erhofft. Mehrere Faktoren spielten eine Rolle.
Zum einen merkte er bereits in der Grundschule, dass seine Gefühlswelt etwas anders gestrickt ist als es in den ganzen Kinderserien propagiert wurde. Er verknallte sich in Jungs anstelle von Mädchen und hatte das Gefühl es verheimlichen zu müssen, weil es für ihn komplett abnorm erschien. Wenn man über Jahre hinweg die eigenen Gefühle nicht frei zum Vorschein bringen kann, ist das unfassbar anstrengend und trägt nicht sonderlich zur Selbstliebe bei.
Ab Beginn der Pubertät war's dann komplett vorüber. Jede körperliche Veränderung kam für ihn zu schnell, zu unerwartet; er hatte das Gefühl, die Kontrolle über sein Leben und seinen Körper zu verlieren. Er war nicht bereit dazu, erwachsen zu werden, weil er das immer mit Stress und Anstrengung verband. Jede Körperstelle empfand er als zu hässlich und mit der Zeit zog er sich zurück und verlor auch das Vertrauen in sich selbst.
Beschleunigt wurde das von den Mitschülern in der Schule. Diese hatten augenscheinlich keinerlei Probleme mit den pubertätsbedingten Veränderungen. Die Mitschüler begannen sich hin und wieder zu "prügeln", Adrian entfernte sich nach wie vor von solchen "Tumulten", da er extrem sensibel auf solche reagierte und er diese in keinster Weise nachvollziehen konnte. In der Schule bekam er dann den Stempel, ein "Weichei" zu sein. Adrian, der bisher überall gut ankam und niemandem etwas Böses wollte, war komplett überfordert mit dem Gefühl, ausgegrenzt und nicht gemocht zu werden. Er wusste nicht, wie er damit umgehen sollte verlor gänzlich das Selbstvertrauen.
Die Jahre vergingen, er hatte keinerlei soziale Kontakte in der Schule. Er gab keinen Mucks von sich. Er war eine nichtssagende Vogelscheuche im Klassenzimmer. Keiner kümmerte sich um ihn. Aber er selbst kümmerte sich auch während der letzten sechs Jahre seiner Schullaufbahn nicht um sich. Die Noten waren dennoch gut, weshalb auch die Eltern und Verwandten keinen Verdacht schöpften - seine seelischen Probleme konnte er stets gut überspielen.
Das Studium macht er auch nur mehr oder weniger unfreiwillig, er weiß nicht was er in seinem Leben erreichen möchte. Er lässt sich schleifen und hat das Gefühl, als hätte diese Entscheidung eine andere Person getroffen.

Und wie geht's ihm jetzt?
Er regt sich auf, sein Potential nicht ausgenutzt zu haben. Er hätte so viel mit seinen Gegebenheiten erreichen können, stattdessen sitzt er nur vorm PC und versucht, sich mit YouTube-Videos von seinen negativen Gedanken abzulenken. Schon irgendwie witzig: Man schaut sich andere Menschen an, was für ein geiles Leben sie führen, aber man selbst macht nichts. Und das obwohl wir nur ein einziges Leben haben.
Er kann sein Spiegelbild nicht ertragen. Er sieht eine Person, die versagt hat, die keinerlei Alleinstellungsmerkmale hat, die wertlos ist. Warum sollte man diese Person lieben? Was hat sie erreicht?

Er möchte wieder Lebensfreude spüren. Leichtigkeit. Einfach rumhüpfen, ohne darüber nachzudenken, was die anderen von einem denken. Einfach wieder Kind sein. Aber es ist schon zu spät, er hat seine Chance verspielt.

Er hat sich in den letzten Monaten bemüht, einen Psychologen zu sprechen. Er hatte Termine bei drei verschiedenen Therapeuten, allesamt konnten wegen Überlastung keine Folgetermine anbieten. Er hat sich nicht ernstgenommen gefühlt und sucht dringend Hilfe, weil er es nicht mehr lang aushält - in letzter Zeit sind wieder Selbstmordgedanken hochgekommen.

Das soll's gewesen sein mit der Geschichte über Adrian. Manchmal könnte ich einfach selbst über diese Geschichte lachen - echt witzig, wie ich mir alles verbaut habe. Ich wart nur auf dem Moment, dass jemand dieses Schauspiel beendet.

Adrian
Alicia-Marie
Teamer(-in) 21.04.2023 20:30
Lieber Adrian,

erst einmal möchte ich mich bei dir bedanken, dass du deine Gefühlswelt mitteilst. Du berichtest sehr differenziert und ich kann mir gut vorstellen, wie du dich fühlst.

Ich bin Alicia und neu im Team dabei. Gerne würde ich dir heute auf deinen Beitrag antworten. Ein paar Fragen habe ich dazu an dich, auf welche du natürlich nicht antworten musst oder nur so weit, wie es sich für dich passend anfühlt!

Du bist ganz sicher kein „Weichei“, weil du dich nicht wie deine Mitschüler auf dem Schulhof geprügelt hast. Ich finde es sehr schön, dass du andere Werte vertrittst und dafür einstehst. Auch dass du dich zu Jungs hingezogen fühlst oder gefühlt hast, ist definitiv nichts, für was du dich schämen musst! Aus deinem Text geht für mich nicht ganz hervor, ob du dies mit der Zeit deinen Mitmenschen mitgeteilt hast oder du dies für dich behalten hast?!
Du sagst, dass du dein Potential nicht genutzt hast. Auf der anderen Seite hattest du wohl immer gute Noten, obwohl es dir psychisch nicht gut ging. Alleine das spricht für mich für dein Potential trotz widrigen Umständen.

Was meinst du damit, dass du dein Studium mehr oder weniger freiwillig machst? Hättest du eher auf etwas anderes stattdessen Lust? Für wen glaubst du das machen zu müssen?

Es ist okay, sich von schlechten Gedanken abzulenken. Schlechte Gedanken sind unangenehm und man möchte diese gerne loswerden. Was „sagen“ dir deine Gedanken? Welcher Art sind sie? Vielleicht kannst du probieren deine Gedanken zu überprüfen. Viele davon sind nämlich nicht rational und werten uns ab. Beispielsweise könntest du versuchen, bei Gedanken wie „ich habe mein Potential nicht entfaltet“ zu hinterfragen, ob dies der Realität entspricht. Dagegen spricht zum Beispiel, dass du ein Studium machst und dir hier Hilfe suchst. Vielleicht gibt es etwas, was du sehr gerne machst, zum Beispiel eine bestimmte Sportart? Wenn negative Gedanken aufkommen, könntest du aktiv etwas unternehmen, was dich ablenkt. Speziell nach dem Sport fühlen sich einige Menschen besser.

Ich denke nicht, dass du deine Chance verspielt hast. Wie ich sehen kann, bist du gerade einmal 19 Jahre jung und hast noch dein ganzes Leben vor dir! Es ist nicht zu spät, nochmal einen ganz anderen Weg einzuschlagen und das zu tun, wonach dir ist, auch wenn du gerade keinen Ausweg siehst.

Es tut mir wirklich leid zu hören, dass du bei Psychotherapeut:innen zwecks Termin keinen Erfolg hattest. Leider ist dies ein häufiges Problem. Hast du dich bereits an die Telefonnummer „116 117“ gewendet? Diese kann in einigen Fällen für dich freie Termine ausfindig machen. Des Weiteren wäre eine Möglichkeit, eine Überweisung von deinem Hausarzt/deiner Hausärztin für einen Termin bei einem Psychiater/einer Psychiaterin zu bekommen. Solltest du ganz akut Hilfe benötigen, besonders im Falle von immer stärker und konkreter werdenden Suizidgedanken, kannst du jederzeit ein Krankenhaus deiner Wahl aufsuchen oder den Notruf wählen.

Kannst du dich derzeit klar von deinen Selbstmordgedanken distanzieren? Ich kann mir gut vorstellen, dass diese Gedanken eine Art „Linderung“ im ersten Moment verschaffen können, dennoch sind sie keinesfalls zielführend!! Es würde mich freuen, wenn du einmal ein paar „Skills“ ausprobieren möchtest. Diese können dir in starken und akuten Belastungssituationen helfen. Ein Beispiel hier wäre etwas sehr scharfes wie Chili oder Wasabi zu essen. Aber auch ein Eiswürfel auf die Haut oder eiskalt duschen helfen manchmal, um wieder im „hier und jetzt“ präsent zu sein.

So viel für heute. Ich freue mich wieder von dir zu lesen.

Alicia-Marie
Teamerin
Beratung4Kids
Adrian2
26.04.2023 00:59
Hallo Alicia-Marie,
ich danke dir sehr für deine Antwort :)

Ich weiß, man sollte eigentlich nicht auf Leute hören, die einen als Weichei bezeichnen. Was man in dem Alter von sich gibt, ist eh meist gänzlich unüberlegt. Als Mensch sollte man theoretisch die Stärke besitzen, über so etwas hinwegzustehen und sich nicht von diesen Leuten als Zielscheibe ihrer negativen Gefühle benutzen lassen. Betonung liegt auf sollte.
Irgendwie ist doch alles einfacher gesagt als getan - insbesondere deshalb, weil das prinzipiell der Startschuss meiner Selbstzweifel war. Ich gebe zu: Retrospektiv betrachtet war es echt dämlich, wegen solcher Deppen an mir gezweifelt zu haben. Ich hatte stets das Gefühl, dass ich irgendetwas falsch mache. Jeder Blick, den ich besagten Personen zugeworfen habe, wurde von ihnen als "Provokation" empfunden. Man wurde verfolgt, gedemütigt und ausgeschlossen. Man könnte da noch viel mehr ins Detail gehen, aber ich möchte diesem Blödsinn eigentlich keinen Raum schenken...

Was war denn so falsch an meinen Blicken? Warum tun die mir das an? Bin ich das Problem? Wahrscheinlich ja; so dachte ich damals zumindest.
Hinzu kam ja noch der wachsende Ekel meinem Körper gegenüber. Ich hab mich ab Beginn der Pubertät absolut nicht mehr wohl in meiner Haut gefühlt. Die Kombination aus beidem war dann für mich zu viel, weshalb ich mich komplett abgekapselt habe und keinerlei Rücksicht auf meinen Körper und meine Bedürfnisse genommen habe. Ich verlor jegliches Selbstvertrauen, hatte keinerlei Ziele vor Augen... Und dann rutscht man schnell in Gedanken à la "Warum existiere ich überhaupt?" Ich bin relativ tief gefallen, damals konnte ich mir das noch nicht wirklich eingestehen. Ich habe jegliche Hilfe abgelehnt (in diesem Fall kam sie von einer engagierten Lehrerin), da ich mir nicht eingestehen wollte, dass ich Hilfe brauche. Ich dachte mir immer: Irgendwann werde ich so wie früher. Du musst nur noch diese kurze Zeit aushalten und 'n paar Monate später kannst du das wieder ausbügeln. Aus Monaten wurden Jahre...

Das Verhältnis zu meiner Sexualität ist auch etwas komisch. Ich möchte mich nicht angreifbar machen. Leider ist es nach wie vor so, dass man schnell in gewisse Schubladen gesteckt wird. Ich wähle da meistens die etwas sicherere Methode und sage einfach nichts dazu. Wenn mich jemand fragen würde, ob ich mich schon mal verknallt habe, würde ich mit "ich weiß es nicht" antworten. Das ist mir irgendwie lieber als dass meine Persönlichkeit nur auf meine Sexualität reduziert wird, was ich leider häufig bei anderen beobachte. Ich behalte es lieber für mich - noch weiß ich nicht, ob ich überhaupt eine Beziehung eingehen kann/werde. Natürlich spüre ich ein gewisses Verlangen und bin einer Beziehung per se auch nicht abgeneigt. Bereit dafür bin ich allerdings (noch) nicht.

Ja, die Sache mit den guten Noten... Das Lernen ist für mich irgendwie eine Möglichkeit, mich abzulenken. Ich lern zwar eigentlich relativ wenig und unterstreiche meine Notizen nicht mit fancy neonfarbenen Filzstiften - ich vertiefe mich einfach gern in ein bestimmtes Thema und vergesse alles was um mich herum ist. Das einzige Problem sind die Klausuren an sich: Deadlines und feste Klausurtermine stressen mich enorm, ich kann keine Nacht ruhig schlafen und mache mir ständig in jeder freien Minute Vorwürfe, dass ich diese Zeit doch fürs Lernen hätte aufwenden können. Ich stelle mir selbst relativ hohe Erwartungen, obwohl ich genau weiß, dass das Quatsch ist. Der ganze Stress macht mir schon zu schaffen und ist nicht gerade förderlich für meine körperliche und geistige Gesundheit. Insbesondere nach dem Abitur hatte ich das Gefühl, eine gewisse Linie überschritten zu haben. Ich habe des Öfteren Herzrasen, Einschlafprobleme, Panikattacken etc.

Zum Studium: Ich wüsste ehrlich gesagt nicht, was ich stattdessen machen wollen würde. Es macht mir zwar keinen Spaß, aber irgendwie ist es das geringste Übel. Vielleicht sehe ich es auch als Voraussetzung für das spätere Berufsleben, um mehr Türen offen zu halten. Aber wenn ich wirklich nur auf meine derzeitige Situation schaue, profitiere ich herzlich wenig davon. Es hindert mich eher daran, etwas für mich zu tun und um mich zu kümmern. Ich muss mich ändern, so viel steht fest. Aber seit dem Studium schiebe ich das einfach vor mich her und unternehme so gut wie nichts, um meinen Zustand zu verbessern.

Meine Gedanken sind wirklich quälend. Es sind zu viele, um diese hier alle aufzudröseln. Im Allgemeinen lasse ich meistens den Tag revuepassieren und reflektiere meine Handlungen. Habe ich richtig gehandelt oder hätte ich etwas besser machen können? Und in 99,9% der Fälle komme ich zu dem Schluss, dass ich versagt habe, mich blamiert habe, zu schüchtern war etc. Jede Kleinigkeit treibt mich in den Wahnsinn. Die anderen Menschen bekommen doch alles viel besser hin, denke ich mir. Jede Gelegenheit, in der ich geschwiegen habe, ist eine verpasste Gelegenheit. Manchmal habe ich auch Lieder im Kopf, welche mich an eine ganz bestimmte Periode in meinem Leben zurückerinnern: Sowohl schöne als auch nicht so schöne Momente. Mich überkommt eine Wehmut, ich möchte in die Zeit zurückreisen, kann das aber bekanntlich nicht. Ich kann mit Abgeschlossenem nicht richtig umgehen. In meinen Gedanken bin ich eine andere Person. Ich sehe anders aus, rede anders, verhalte mich anders. Ist das mein wahres Ich? Warum kann ich es im Alltag nicht zum Vorschein bringen? Warum muss ich mich andauernd verstellen und „schauspielern“?

Wenn ich im Alltag mit anderen Menschen rede, werde ich häufig als schüchtern abgestempelt. Ich komm gar nicht dazu, wirklich tiefgründig mit einer Person zu kommunizieren und mich zu öffnen, weil ich eher die zweite Wahl bin. Selbst wenn ich die Gelegenheit habe, verschließe ich mich zu sehr und bewege mich in meiner Komfortzone, obwohl ich das eigentlich nicht möchte. Als Kind hab ich mir darüber keine Gedanken gemacht.

Sportlich habe ich mich bisher vergleichsweise wenig betätigt, bisher hatte ich kein wirkliches Ventil, um die aufgestaute Luft rauszulassen. Es klingt auf jeden Fall nach einer guten Idee: Ich wüsste bloß nicht, wie ich mich dazu aufraffen soll. Für Dinge, die mir guttun würden, brauche ich immer 100.000 Argumente, die dafürsprechen – Dinge, die mich nicht voranbringen, führe ich ohne Wenn und Aber aus. Es ist echt witzig.

Meine Kindheit ist bereits vorbei. Diese Chance habe ich verpasst. Irgendwie belastet mich das sehr, es ist eine Zeit in der man sich ausprobieren kann, seine Persönlichkeit final entwickeln kann und noch nicht zu stark bewertet wird. Genau das fehlt mir jetzt: Ich weiß nicht, wer ich bin und was mich ausmacht. So blöd es klingen mag: Am liebsten würde ich wieder die Schulbank drücken und zurück in die siebte Klasse gehen. Einfach alles auf Anfang. Klar: Ich könnte auch jetzt mit meinen 19 Jahren an mir arbeiten, aber das kostet mindestens viermal so viel Kraft. Ich frag mich auch manchmal, wie mein Leben aussehen würde, wäre ich in einem komplett anderen Umfeld aufgewachsen. Ob im größten Ghetto Deutschlands oder im Eliteinternat an der Ostsee. Ich kann mich nicht auf einen Lebensweg beschränken, ich möchte gerne die breite Vielfalt erleben/erlebt haben.

Die drei Therapeutentermine hatte ich allesamt über die 116 117 bekommen, sie waren erfreulicherweise sehr kurzfristig verfügbar und ich habe mich auch in den 45-minütigen Sprechstunden öffnen können. Es sind aber nur Lücken in den Kalendern gewesen, weshalb keine Folgetermine angeboten werden konnten. Was ich mir wünschen würde wäre eine wirklich ganzheitliche Beratung, mindestens einmal wöchentlich, in der man auf alle Kleinigkeiten eingehen kann und das Leben nochmal aufrollt. Ich stehe grad vor einem riesigen Scherbenhaufen; ohne Kehrwisch (in diesem Fall im übertragenen Sinne ein Therapeut) kann ich die Scherben nicht aufheben, ohne mich zu schneiden.

Bei mir siegt (noch) der Verstand, meine Suizidgedanken entstehen eher aus Verzweiflung und aus dem Wunsch, eine Linderung für meine Probleme zu finden. Konkret habe ich mir zum Glück nichts angetan, die Gedanken an sich machen mir dennoch Angst. Ich möchte es nicht soweit kommen lassen. Das Leben ist unfassbar wertvoll, das ist mir durchaus bewusst. Im Alltagstrott geht das jedoch verloren. Man sieht in der S-Bahn wirklich nur gefühlslose Gesichter, die aufs Handy starren. Kein Lächeln, keine Lebensfreude. Als wären wir alle Roboter, die lediglich pünktlich zur Arbeit erscheinen müssen. Wo ist die Leichtigkeit geblieben, die man in der Kindheit gespürt hat?

Adrian
Alicia-Marie
Teamer(-in) 27.04.2023 11:51
Lieber Adrian,

ich danke dir sehr für deine Rückmeldung!

Du hast recht – du solltest dir nicht solche Dinge von anderen einreden lassen. Hast du Freunde oder ein Umfeld, das dir gut tut? Wenn nicht, gibt es auf Social Media auch einige Gruppen in deinem Umkreis, die sich regelmäßig treffen und Dinge unternehmen. Vielleicht könntest du über diesen Weg neue Menschen kennenlernen und dich ausprobieren? Auch zu dem angesprochenen Thema Sport wäre das eine Möglichkeit, neue Sportarten mit anderen auszuprobieren. In einer Gruppe ist die Motivation auch oft höher.
Es ist gut und wichtig, dass du für dich erkannt hast, zumindest im Moment noch keine Beziehung eingehen zu wollen – das ist völlig okay! Dafür muss oder sollte auch ein gewisses Vertrauen zu sich selbst und anderen vorhanden sein. Ich denke, wenn du den passenden Menschen kennenlernst, wirst du nochmal für dich neu überlegen können, ob du weiter gehen willst, das kommt dann auch meist von alleine. Ich finde es nur wichtig, dass du dir da keinen Druck machst oder machen lässt. Jeder Weg ist da individuell und völlig legitim.

Auch Lernen kann natürlich eine Möglichkeit sein, sich abzulenken und scheint dir wohl im Leben bereits geholfen zu haben. Das ist erstmal eine gute Ressource, die du dir auch merken kannst. Natürlich sollte auch noch Platz und Zeit für andere und dir guttuende Dinge bleiben. Was machst du gerne in deiner Freizeit? Bei welchen Aktivitäten fühlst du dich wohl? Vielleicht wäre es eine Möglichkeit, einmal eine Liste anzufertigen mit Dingen, die dir helfen könnten. In schwierigen Momenten kann ein Blick darauf helfen um sich daran zu erinnern, was man unternehmen könnte um aus dem Strudel herauszukommen.

Auch bei den hohen Erwartungen an dich selbst könntest du wie bereits von mir angesprochen einen „Realitätscheck“ durchführen. Oft merkt man dann erst, dass das eigene Gefühl gerade nicht angemessen zur Situation passt. Natürlich könnte man immer noch mehr lernen, aber wo bleibt dann die Zeit für die angenehmen Tätigkeiten des Lebens? Gerade wenn du mit negativen Gedanken zu tun hast, ist es hilfreich, auf eine anstrengende und/oder belastende Tätigkeit eine schöne folgen zu lassen. Gerade gute Noten sind ja ein guter Indikator dafür, dass du ausreichend gelernt hast und dir auch Zeit für andere Dinge nehmen kannst und darfst.

Es ist schön, dass du dein Leben als wertvoll bezeichnet, denn das ist es, auch, wenn es nicht immer so scheint. Ich finde es super, dass du dir hier Hilfe suchst. Welche Erwartungen hast du an unsere Beratung oder wie würde eine gute Beratung hier für dich aussehen? Wie kann ich dich konkret unterstützen?

Ich wünsche dir einen schönen Tag und bis bald!

Liebe Grüße

Alicia

Zuletzt editiert am: 27.04.2023 11:53, von: Alicia-Marie


Alicia-Marie
Teamerin
Beratung4Kids