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Thema: Ich esse unnormal

Eröffnet am 20.11.2016 um 19:22 Uhr

Onilein
20.11.2016 19:22
Hallo an alle da draußen :)
Ich würde mich gerne zu Anfang kurz vorstellen. Ich bin Oni, noch 19 Jahre (weiblich) und mache aktuell eine Ausbildung (bin im Letzten Jahr, also schon angehende Fachkraft JUHUU :D). Ich bin auf dieses Forum gestoßen, weil ich nach Hilfe bei Essstörungen gesucht habe.
Ich bin mir aktuell sehr unsicher. Ich weiß, ich habe kein normales Essverhalten. Doch ich bin mir nicht sicher, ob ich wirklich eine Essstörung habe. Ich habe mich in letzter Zeit viel lit dem Thema auseinandergesetzt. Dennoch finde ich keine befriedigende Antwort. Daher fasse ich nun mal meinen ganzen Mut zusammen und verfasse hier anonym einen Post.
Nun also ich habe seit meiner Kindheit (Kindergartenalter) mit meinem Gewicht zu kämpfen, war immer die "Pummelige" meine Brüder waren sehr schlank. Mir hat es eben einfach geschmeckt. Ich war damals nicht wirklich krankhaft dick, einfach nur kräftig. Pausbacken und ein kleines Bäuchlein, doch es hielt sich in Grenzen. Ich wuchs mit Gewalt auf, mit der Zeit wurde es immer unerträglicher daheim. Aggressionen, Gewalt und Unterdrückung. Ich löste mich von meiner Familie. Ich wollte nicht sein wie sie. Umgeben von Sucht, Alkohol, verschiedene Drogen. Ich rettete michit Essen. Essen war immer da, das einzige über das ich Kontrolle hatte, ich betäubte sozusagen meine Gefühle. Dann die erste Beziehung, leider ebendfalls mit viel Gewalt, als diese zu Ende ging brach mir das endgültig das Genick. Natürlich war diese Beziehung im Nachhinein ein Fehler, doch ich konnte Liebe und Abhängigkeit nicht unterscheiden. Ich ging endgültig in die Breite. Ich hatte mich total isoliert und hatte nur noch das Essen, kaum Freunde. Ich trieb es auf die Spitze mit ca 115 Kilo auf 1,76m und Kleidergröße 48/50. ich war unglücklich.
Der Wendepunkt: der Beginn meiner Ausbildung mit 16, ein Jahr später zog ich daheim aus. Nur für ein halbes Jahr. Das Geld war einfach zu knapp "reumütig kehrte ich wohl, oder übel zurück" so dag ich es zumindest. Ich hatte das Gefühl ich hätte versagt. Doch es harmonierte erstaunlicherweise recht gut daheim. Ich kam gut mit meiner Mutter zurecht und stabilisierte mich. Unser Verhältnis wurde besser, ich arbeitete viel auf. Die Ausbildung lief super, ich lernte meinen jetzigen Freund kennen, der mich sehr unterstützt. Ich schöpfte Kraft, mein Gewicht zu bekämpfen zunächst alleine, dann mit professioneller Ernährungsberatung. Ich lernte, meinen Frust nicht durch Essen zu bekämpfen und erreichte zum ersten Mal Normalgewicht. Eigentlich könnte die Geschichte ja hier vorbei sein, aber dann hätte ich ja nicht hier schreiben müssen.
Ein erneuter Wendepunkt. Eigentlich läuft alles super, privat, beruflich etc. Doch ich konnte nicht immer mit der Belastung fertig werden. Mein Bruder und meine Mutter wurden zur selben Zeit krank, der Haushalt blieb an mir hängen. Dazu die Doppelbelastung einer dualen Ausbildung im Schichtbereich mit viel Pflege, also auch schwerer körperlicher Arbeit. Ich hatte zunächst den Drang erneut zu essen, doch ich hatte ja gelernt, dass das Essen keine Lösung ist und mich nicht weiter bringt. Also begann ich zu laufen. Das tat gut, ich bekam den Kopf frei. Doch es änderte sich etwas in mir ich hatte immer gerne gegessen nur eben gelernt, was für meinen Körper gesund ist. Der sport nahm zu aus 2-3 mal die Woche laufen wurde 1 mal am Tag, an meinen freien Tagen manchmal sogar 2-3 Mal am Tag jeweils 7,5 km. Auch das Essen reduzierte ich immer mehr. Bis auf eine nulldiät. Nichtmal mehr Obst oder Gemüse, sondern nur Wasser und Brühe. Mein Gewicht hatte sich vor dieser Phase bei ca. 69 Kilo eingependelt. Damit war ich zufrieden. Doch mein ehemaliger bester Freund das Essen ist zum Feind geworden. Mir wird übel, wenn ich nur daran denke. In den letzten 2 1/2 Monaten habe ich mein Gewicht auf 56 Kilo reduziert. Ich fühle mich noch immer Dick. Ich stehe im Konflikt mit mir selber. Mein verstand sagt, du kannst bei dem Gewicht und der Kleidergröße nicht dick sein. Doch da gibt es eine Stimme, die sagt ständig, DU BIST DICK! Ich weiß eigentlich, dass sie lügt. Doch ich sehe in den Spiegel und entdecke nur Fett, obwohl da keines ist. Ständig dieser Konflikt mit mir selbst. Ich kann jedoch nicht aufhören, Essen sollte mich am Leben halen, doch es fühlt sich an, als würde es mich krank machen. Das kann doch nicht gesund sein.
So gerne würde ich wieder Spaß am Essen haben. Doch ich will auch nicht zu nehmen. Abnehmen ist das, was ich gut kann. Ich weiß ich bin vom Gewicht her nicht stark unterernährt, das ist es, was mich verwirrt. Und deshalb nimmt es verlutlich auch keiner ernst. Ich trage weite Sachen, die kaschieren. So fällt es keinem auf. Nur meinem Freund. Der macht sich Sorgen, doch ich blocke ab, wenn er darüber sprechen möchte. Ich erfinde Ausreden. Seit einer Woche rechtfertige ich mich mit einer Magen-Darm Grippe die gerade auf der Arbeit rum geht. Nur damit ich nicht essen muss. Ich will meine liebsten nicht weiter anlügen. Ich habe mittlerweile wieder viel Freude die ich sehr gerne magbund erneut isoliere ich mich. Denn es könnte ja gegessen werden, wenn wir uns sehen. Diese Denkweise ist nicht normal, das weiß ich.

So das war nun. Erstmal genug. Ich hoffe, hier nimmt mich jemand ernst und kann mir eine Antwort geben, ob ich mich in etwas reinsteigere, oder ob ich von der einen Essstörung in die andere gerutscht bin.

Viele liebe Grüße Oni
Laura_D
Fachbereichsleitung 21.11.2016 21:56
Hallo Oni,

herzlich willkommen bei Beratung4Kids! Es ist schön, dass du dich mit deinen Sorgen an uns wendest und dir Hilfe suchst. Mein Name ist Laura, ich bin ein Teil des Beratung4Kids Teams und möchte dich gerne unterstützen.

Erst einmal finde ich es klasse, wie offen und ehrlich du deine Situation und den ganzen verlauf beschreibst. Natürlich sind wir hier anonym, aber auch da kostet es Überwindung, die eigenen Probleme so detailliert zu beschreiben. Damit hast du schon eine erste große Hürde genommen.
Du hast beobachtet, wie sich dein Essverhalten von dem einen Extrem ins andere gewandelt hat und möchtest jetzt wissen, ob dein Verhalten nun eine sogenannte Essstörung ist oder nicht. Eine konkrete Diagnose kann dir natürlich nur ein Arzt oder Psychotherapeut ausstellen. Wichtig ist ja vielleicht auch gar nicht die eigentliche Diagnose, sondern was es für dich bedeutet.
Machst du dir oft Sorgen um dein Essverhalten? Belastet dich das Thema? Aus deinem Text lese ich heraus, dass du diese Fragen für dich mit „ja“ beantworten würdest. Sehe ich das so richtig? Du musst deinen Alltag verändern, triffst dich weniger gerne mit Freunden und erfindest kleine Notlügen. Gibt es noch mehr Einschränkungen und Belastungen, die du für dich durch dein Essverhalten siehst?
Außerdem grübelst du darüber nach, wie du zwei so unterschiedliche „Probleme“ mit dem Essen entwickeln konntest, richtig? Das ist gar nicht so ungewöhnlich. Ganz viele Menschen die einmal eine Zeit lang sehr viel essen müssten, rutschen danach in einen Zustand, in dem sie kaum noch Essen und viel Sport treiben. Genauso passiert es auch oft andersherum. Ich denke, dass es hier auch einige User gibt, die das kennen und dir ihre Erfahrungen dazu schildern können. Vielleicht meldet sich ja jemand :)
Wenn du für dich entscheidest, dass dich dein Essverhalten belastet, dann können wir gerne gemeinsam überlegen, was du tun, oder an wen du dich wenden kannst, um das Problem anzugehen. Nicht nur mit dem Essen, es scheint ja auch familiäre Dinge zu geben, die dich belasten. Du hast selbst schon eine Verbindung zwischen diesen Ereignissen gezogen und ich kann mir auch sehr gut vorstellen, dass das miteinander zusammenhängt. Jeder Mensch findet einen anderen Weg, um mit Stress und Problemen umzugehen und bei dir scheint es sich im Essverhalten auszudrücken. Du warst einmal sehr zufrieden mit deinem Gewicht und dem Essen- zu diesem Punkt kannst du mit Unterstützung auf jeden Fall wieder zurückgelangen :)
Wir helfen dir gerne dabei!

Ich freue mich auf deine Antwort!
Liebe Grüße
Laura

Laura
Teamerin
Beratung4Kids
Onilein
22.11.2016 10:55
Hallo Laura,
Vielen Dank für die liebe Antwort.
Zu deinen Fragen: da liegst du denke ich ziemlich richtig, ich würde sie auf jeden Fall mit "Ja" beantworten. Ich bin mittlerweile sehr eingeschränkt. Ich habe mich innerhalb von ca 1 1/2 Jahren halbiert. Zumindest was das Gewicht und den Körperumfang betrifft. Vorher hatte ich kaum Kondition und mir fielen körperliche Aktivitäten schwer. Nun schwindet meine Kondition erneut. Und vor allem merke ich, wie meine Muskeln abbauen. Ich merke die Veränderung also nicht nur psychisch, sondern auch körperlich. Ich kann auf der Arbeit kaum mehr heben. Die Lagerungen unserer Klienten fällt mir zunehmend schwerer und ich muss Kollegenum Hilfe bitten. Dies wiederum ist mir peinlich, da ich mir Kommentare anhören darf wie: "ist ja kein Wunder, dass du den nicht heben kannst. Du bist ja nur noch ne halbe Portion!" Das schmerzt. Ich mag meine Kollegen, doch ich weiß, es wird über mich geredet, wenn ich nicht da bin.

Das Paradoxe daran ist, ich weiß, dass mein Körper das Essen und die Energie braucht. Ich kenne die medizinischen Apekte. Aber es fühlt sich falsch an. Wie kann mich etwas gesund machen, das sich niht richtig anfühlt?! Ich kann nicht essen. Besser gesagt ich will es nicht. Das Hungern löst ein Glücksgefühl aus, es ist wie eine Achterbahn, auch wenn ich weiß, dass es falsch ist.
Ich denke das Thema Ernährung schränkt mich in meinem Alltag ständig ein. Es hat einfach die Oberhand gewonnen. Ständig diese Schuldgefühle, wenn ich mal esse und der Gedanke: "wie verbrenne ich schnellstmöglich die zu mir genommenen Kalorien wieder?" Dieses Denkmuster ist so real, aber trotzdem falsch, denke ich. Das verwirrt mich! Doch ich will eigentlich gar nichts ändern. Es gefällt mir weiter abzunehmen. Nur mein Verstand und alles was ich aus medizinischer Sicht gelernt habe sagen etwas anderes.

Es wäre ganz toll, wenn sich jemand melden würde, der bereits ähnliche Erfahrungen gesammelt hat.
Laura_D
Fachbereichsleitung 23.11.2016 08:36
Hallo liebe Oni,

leider hat sich noch niemand von den Usern gemeldet, aber vielleicht kommt das ja noch : )
Ich finde es toll, wie gut du deine Situation beschreiben kannst. Dein Kopf weiß, dass dein Essverhalten nicht gesund ist und du merkst es auch selbst bei der Arbeit und in der Freizeit. Das ist schon einmal ein wichtiger Schritt. Auch, wenn du deinem Wissen gerade nicht nachgehen kannst, weil dein Gefühl dir einfach etwas Anderes sagt, kann dir das auf dem Weg zur Besserung sehr hilfreich sein. Was dir sicher auch eine Hilfe sein wird ist, dass du es bereits einmal geschafft hast, aus einem "unnormalen" Essverhalten heraus in einen Zustand gekommen bist, mit dem du ganz zufrieden warst. Das finde ich total stark und du kannst wirklich stolz darauf sein! Wenn du es schon einmal geschafft hast, dann kannst du es auch wieder schaffen mit dir und deinem Körper zufrieden zu sein.
An deinen Beschreibungen merkt man auch, wie viel du dich schon mit dem Thema auseinandergesetzt und darüber nachgedacht hast Würdest du sagen, dass ist das Thema, mit dem du dich im Moment am meisten beschäftigst? Gibt es auch Momente, wo du deine Sorgen vielleicht für einen kurzen Moment vergessen kannst, oder sie nicht so stark sind?

Soweit haben wir den Stand der Dinge also ganz gut erfasst. Jetzt ist die Frage, wie du damit weitermachen willst. Was wünschst du dir hier von der Beratung (abgesehen von den Erfahrungsberichten anderer)?

Viele Grüße

Laura

Zuletzt editiert am: 23.11.2016 08:44, von: Laura_D


Laura
Teamerin
Beratung4Kids
Onilein
04.12.2016 11:37
Hallo Laura,
Das Thema ist momentan sehr besitzergreifend. Nicht nur, dass ich ständig daran denken muss. Es gibt auch ständig Streit deswegen. Nach einer großen Auseinandersetzung habe ich mich wirklich sehr bemüht und 2-3 Tage annähernd normal gegessen. Ich habe mich sogar dazu "gezwungen" die selbstgemachten Plätzchen von der Mutter meines Freundes zu essen. Nach dieser kuren Zeit ging es mir so schlecht. Mein Körper hat rebelliert und ich hatte solchen Druck, dass ich fasten musste. Danach ging es mir sofort besser, ein leerer Magen und kein schlechtes Gewissen mehr.

Was ich mir von der Beratund wünsche? Um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht. Momentan habe ich um ganz ehrlich zu sein glaube ich gar nicht den Willen und die Kraft etwas zu ändern. Es ist eher, dass es mir gefällt, wenig und krankhaft zu essen. Es ist einfach dieses Glücksgefühl, ohne dass es mir sehr schlecht geht.

Viele Grüße
Laura_D
Fachbereichsleitung 05.12.2016 10:42
Hallo Oni,

wie geht es dir?
Ich glaube, mit besitzergreifend hast du ein wirklich passendes Wort für deine momentane Essproblematik gefunden. Deine Gedanken und dein Alltag werden vom Essen, oder eben dem nicht-Essen, bestimmt und auch, wenn du es versuchst, kannst du nicht lange "normal" essen. Du schreibst auch, dass du daran im Moment nichts ändern willst, weil es dir auf eine bestimmte Art gefällt. Mir ist wichtig, dass du weißt, dass ich dich gerne unterstütze, solltest du den Wunsch haben, etwas ändern zu wollen. Bis dahin können wir ein paar Überlegungen in andere Richtungen machen.
Du schreibst, dass es dir ein Glücksgefühl verschafft, wenn du nichts isst. Klar will man nichts ändern, durch das man sich gut fühlt. Trotzdem bleiben natürlich langfristig die negativen Konsequenzen, von denen du weißt und von denen du auch schon einige selber gespürt hast.
Überlege dir doch deshalb einmal, was dich sonst glücklich macht? Was sind deine Hobbys, die sich nicht um Sport und Ernährung drehen? Denk dabei sowohl an die letzten Tage und Wochen, als auch an die Zeit bevor du begonnen hast, weniger zu Essen.

Du hast einmal angedeutet, dass du angefangen hast weniger zu essen, weil dein Bruder und deine Mutter krank geworden sind und du dadurch große Belastungen erlebt hast. Das tut mir wirklich leid zu hören, ich kann mir vorstellen, dass das ganz schön schwierig für dich ist. Wie sieht das denn im Moment aus? Ist die Situation nach wie vor dieselbe oder geht es den beiden mittlerweile besser?

Gibt es denn jemanden, mit dem du die Situation schon einmal besprochen hast? Sowohl der Stress durch den Job und zuhause, als auch die Probleme mit dem Essen? Von wem könntest du Unterstützung bekommen.

Das sind ganz schön viele Fragen. Nimm dir Zeit, sie zu beantworten und beantworte nur, was du kannst und willst.

Viele Grüße

Laura

Laura
Teamerin
Beratung4Kids
Laura_D
Fachbereichsleitung 21.12.2016 10:57
Hallo Oni,

da ich schon länger nichts mehr von dir gehört habe, wollte ich einmal nachfragen, wie es dir im Moment so geht?

Viele Grüße

Laura

Laura
Teamerin
Beratung4Kids