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Thema: Bin ich lesbisch?

Eröffnet am 13.02.2021 um 00:48 Uhr

Ellamara
13.02.2021 00:48
Hallo, mein Name ist Ellamara.
Nennt mich gerne Ella. Ich bin 16 Jahre alt und habe mich auf diesem Forum angemeldet, weil mir ein bestimmtes Thema schon so lange durch den Kopf geht und ich gerne andere Meinungen dazu hören würde. Es geht um meine Sexualität. Ich bin in einem ziemlich homophoben Dorf aufgewachsen und wusste Jahre lang gar nicht, dass es sowas wie 'Queere Menschen' gibt. Wenn man hier zwei küssende Menschen des gleichen Geschlechts sah, wurde es gleich als komisch und unnormal bezeichnet, es wurde einfach immer deutlich gemacht, dass es nicht normal ist. Erst Jahre später habe ich durch das Internet sehr viel über das Thema 'LGBTQ+' gelernt, eigentlich nur dadurch, da die Schulen & generell die Gesellschafft wirklich versagt, was die "Aufklärung" über die verschiedenen Sexualitäten und das es ganz normal ist egal wen man liebt, angeht. Anfangs war mir das alles noch fremd, ich war zwar schon immer von Frauen fasziniert und wollte wie sie sein, aber mir wäre nie in den Sinn gekommen, dass ich mit ihnen zusammen sein wolle oder gar könnte - ich wusste ja nicht Mal das sowas überhaupt geht. Zum ersten Mal so richtig über das Thema lesbisch sein hab ich nachgedacht, als ich feststellte, dass ich meine Fußballtrainerin (30) SEHR toll fand und mir auch manchmal vorgestellt habe wie es wäre sie zu küssen, ich habe diese Gedanken aber immer sehr schnell verdrängt und mich richtig geschämt - jemandem gesagt hätte & habe ich es auch nie. Zuerst war ich richtig angeekelt von mir selbst, ich dachte es ist irgendetwas falsch mit mir, sowas wäre doch nicht richtig, vor allem weil sie eine Frau und viel älter als ich ist...

Mittlerweile sind mehr als 2 Jahre vergangen, ich weiß bis heute nicht ob ich wirklich etwas in meine Fußballtrainerin verknallt war oder ob es einfach nur Bewunderung war, die ich falsch interpretiert hatte. Jedoch habe ich mich in den letzten Jahren ziemlich viel mit meiner Sexualität auseinander gesetzt. Zuerst wollte ich es verdrängen, hätte ich alles getan um "normal" zu sein, aber mittlerweile weiß ich zum Glück, dass es absolut nichts schlimmes ist sondern einfach nur Liebe, etwas sehr sehr schönes!
Ich würde mich eigentlich selbst als lesbisch bezeichnen und bin auch so unendlich stolz drauf wie ich bin, aber es gibt da einige Probleme:

- Ich bin mir zwar eigentlich fast sicher, dass ich lesbisch sein könnte, aber manchmal überkommen mich dann doch die Zweifel. Was wenn ich das alles nur für Aufmerksamkeit mache? Weil ich anders sein will? Weil ich einfach gerne zu dieser Community gehören würde, weil es 'cool' ist?

- Aber andererseits will ich auch absolut keinen Freund haben. Der Gedanke von einem Jungen/Mann geküsst zu werden fühlt sich irgendwie nicht so gut an. Ich habe zwar noch nie jemanden geküsst, aber ich hab einfach den Gedankengang bzw. so ein Gefühl. Wenn ich an meine Hochzeit denke, stelle ich mir eine Frau vor - keine bestimmte, aber ich weiß das die Person neben mir weiblich ist. Einen Mann kann ich mir irgendwie nicht oder nur schwer vorstellen (Ich kann mir aber generell solche Szenarien schwer bildlich vorstellen, da ich 'Aphantasie' habe). Ich fühl mich aber bei dem Gedanken an Frauen meistens viel wohler, ich stell es mir viel schöner vor - einfach alles.
Aber was wenn ich mir das alles nur einrede? Woher soll ich wissen, dass ich auf Frauen stehe, wenn ich noch nie richtig verliebt war (Argument meiner Mom...), aber andererseits woher sollte ich dann wissen, dass ich auf Jungs stehe?! Warum gilt so ein dummer Spruch nur wenn man homosexuell ist und nicht auch bei heterosexuellen Menschen, woher sollen die denn wissen, dass sie hetero sind, wenn sie noch nie das gleiche Geschlecht geküsst haben?!

- Ich fühl mich einfach so viel Verbundener zu Menschen die auch Part der LGBTQ+ Community sind. Auch wenn ich die Person gar nicht kenne, kommt es mir so vor als würde die Person gleich 20 Pluspunkte an Sympathie bei mir bekommen, allein für den Fakt das sie auch Queer ist. Oft sehe ich schöne Männer/Jungen in Filmen oder Serien und die schaue ich auch gerne an, weil sie halt einfach schon schön sind, aber wenn ich dann dran denke ob ich mit ihnen zusammen sein wollen würde, schaltet mein Gehirn gleich wieder ab und sagt "Nein danke, eher nicht!" Ich denke mir meistens eher, "Oh mit dem wäre ich gerne befreundet". Oder wenn ich Schauspieler google und dann herausfinde, dass sie Queer sind mag ich sie gleich viel mehr. Ich bin dann immer richtig froh und freue mich. Ich weiß echt nicht ob das komisch ist oder normal, ist das überhaupt ok, wenn man Leute nur aufgrund der Sexualität sympathischer oder cooler findet? (es ist aber nicht so, dass ich heteros deshalb weniger mag, nein, ich fühl mich einfach direkt verbunden zu queeren Menschen)

- Ich schau mir auch sehr gerne LGBTQ+ Filme an, lese Bücher oder beschäftige mich generell ziemlich gerne damit. Mittlerweile finde ich LGBTQ+ Paare irgendwie viel „normaler“ als heteros und irgendwie mag ich LGBTQ+ Filme & Paare auch viel mehr, irgendwie kann ich mehr damit anfangen, ich weiß auch nicht. Die meisten Hetero Beziehungen langweilen mich einfach oder interessieren mich gar nicht so.

- Ich habe einfach Angst davor, dass ich mich verrenne und am Ende doch einen Mann heiraten werde und dann hatten die intoleranten Leute recht: es war wirklich nur eine Phase, keiner nimmt mich mehr ernst, weil ich komisch bin oder krampfhaft versuche anders zu sein und Aufmerksamkeit zu bekommen. Einerseits bin ich mir eben sicher, dass ich lesbisch bin, ich habe absolut kein Interesse an Jungs, als Freunde ja - aber mehr nicht. Aber diese kleine Funken von Unschlüssigkeit der mich verfolgt, macht mich wirklich fertig. Ich will mich nicht in irgendetwas verrennen und ich will auch nicht, dass es nur eine dumme Phase ist, wie manche Menschen sagen...deshalb hab ich auch zu meinen Eltern gesagt, dass ich glaube das ich bisexuell bin, damit mir das nicht vorgehalten wird, wenn ich mir wirklich was vormache, wenn ich mich wirklich nur in irgendetwas verrenne. Ich finde Frauen einfach ✨toll✨ aber reicht das? Findet nicht jedes Mädchen andere Frauen irgendwie toll? Es ist alles schrecklich kompliziert & verwirrend.

- Die Vorstellung mit einem Mann zusammen zu sein macht mich einfach irgendwie unglücklich. Ich fühlt sich wie etwas an das ich nicht will und ich hab echt fast "Angst" davor, dass ich mich verrenne und doch nicht lesbisch bin und am Ende doch einen Mann heiraten werde...oh wow wie dumm sich das alles anhört, ist ja nicht so als ob mich jemand zwingen würde unbedingt einen Mann zu heiraten, aber das Gefühl ist halt dennoch da. Aber was, wenn ich mir das nur einrede für Aufmerksamkeit (ich meine es weiß bis jetzt eh kaum jemand aber trotzdem) ich würde es einfach gerne anderen Menschen erzählen, darauf stolz sein, darüber reden wie zb Freundinnen ständig über Jungs reden (womit ich nie etwas anfangen konnte – jetzt weiß ich den Grund vielleicht) und ich beschäftige mich einfach gerne mit dem ganzem Thema, der Diskriminierung und was man dagegen tun kann, wie man für mehr Toleranz sorgt etc. - liegt das daran, dass ich einfach nur Aufmerksamkeit oder Bewunderung will, dass ich einfach nicht "normal" sein will? Ich will wirklich nicht "normal" sein: nicht so verklemmt, intolerant und langweilig wie viele in meinem Dorf. Rede ich mir deshalb vielleicht etwas ein? Aber andererseits macht mich der Gedanke, dass ich auf Frauen stehe glücklich, ich weiß nicht wieso. Ich will wirklich sehr gerne lesbisch sein, damit ich mit Frauen zusammen sein kann...Und da ist wieder das Problem! Rede ich mir es nur ein, weil ich es gerne wäre oder bin ich es wirklich, lasse mich aber nur von der Gesellschaft und der Heteronormativität verwirren? (Das merke ich auch manchmal, wenn ich ein hetero Paar in einem Film sehe, dass ich ausnahmsweise mal wirklich süß finde - auch wenn ich nicht wirklich an ihrer Stelle sein will, manchmal denke ich mir, dass wahrscheinlich wirklich alles leichter wäre, ohne all die Probleme, den Hass, die Intoleranz etc., wenn man einfach der dummen "norm" entsprechen würde, aber ich bin mir nicht sicher ob es mich überhaupt glücklich machen würde so zu sein!)
Fazit: Es tut mir leid, dass ich so einen langen und verwirrenden Text geschrieben habe. Meine Gedanken schwirren kreuz und quer durch meinen Kopf, es ist mitten in der Nacht und das Thema beschäftigt mich wieder Mal. Ich wünschte ich könnte alle meine Gedanken aufschreiben, mich noch mehr & besser ausdrücken, aber das geht nun mal nicht. Ich hoffe dennoch, dass irgendjemand von euch einen kleinen Ratschlag für mich hat. Ich weiß, dass ich wahrscheinlich die einzige bin die alle meine Fragen jemals wirklich beantworten kann, aber vielleicht kann mir trotzdem jemand etwas weiterhelfen, mir sagen, ob solche Gedanken normal sind und so weiter...

Vielen Dank.
Ella

Zuletzt editiert am: 13.02.2021 00:52, von: Ellamara

Sonnenscheinchen
13.03.2021 01:36
Hallo Ella,

Ich dachte ich antworte dir mal. Ich weiß nicht ob ich dir helfen kann aber als ich deinen Beitrag gelesen habe, hat er mich sehr an mich selber erinnert. Also dachte ich, ich erzähle dir mal meine Geschichte.

Ich bin 19 Jahre alt und kenne diese Gedanken die du beschreibst sehr gut.
Ich habe selber auch mehrere Jahre darüber nachgedacht ob ich auf Frauen stehen könnte oder nicht. Mittlerweile bin ich mir sicher.
Bis vor einem halben Jahr war ich auch noch nie verliebt. Weshalb mir meine Freunde erzählt haben, ich sei Hetero- oder Asexuell. Generell ist mein Umfeld, mit meiner Bisexuellen Mutter die mit einer Frau zusammen ist und vielen Homosexuellen Freunden, sehr offen was das Thema angeht.

Ich habe dann auch in diesem und in vielen anderen Foren, mitten in der Nacht Beiträge hinterlassen und gehofft, dass mir jemand helfen kann. Die Antworten die ich bekommen habe, waren nicht wirklich hilfreich. Einige meinten ich rede mir es nur ein und andere meinten ich solle mir einfach Zeit lassen, denn ich werde es schon irgendwann herausfinden. Auch wenn ich diesen Rat damals blöd fand, würde ich ihn dir heute genau so geben. Lass dir einfach noch ein bisschen Zeit.

Die Zweifel von denen du schreibst kenne ich auch sehr gut. Immer wenn ich mir sicher war auf Frauen zu stehen, kamen wieder die Zweifel hoch. Weshalb ich nur nachts in meinem Zimmer darüber nachgedacht habe und meinen Freunden nichts davon erzählt habe. Ich hatte Angst das ich doch herausfinde, dass ich auf Jungs stehe und ich mich dann fälschlicher Weise geoutet hätte. Echt dumm denn meine Freunde oder meine Familie hätte mir bestimmt helfen können.

Freunde von mir die sich als irgendetwas geoutet haben, mochte ich lieber und wollt mehr Zeit mit ihnen verbringen. Dabei wollte ich mit ihnen über ihr Outing reden und wie sei es herausgefunden haben. Meistens habe ich mich aber nicht getraut zu fragen.

Doch dann habe ich mich irgendwie in eine Freundin verliebt (zumindest denke ich das ich verliebt bin). Auch das wollte ich mir erst nicht eingestehen doch von dem einen auf anderen Tag war es mir dann klar. Das war ganz komisch. Keine Ahnung ob das normal ist.

Keine Ahnung ob irgendwas davon dir helfen kann oder ob du jetzt noch verwirrter bist als vorher.
Mein Tip ist, dass du dir Zeit lässt (ich weiß, dass das schwer ist). Ich fand diesen Tip auch super blöd aber ich glaube es ist der beste und bei mir hat es funktioniert.
Ich hoffe wirklich das hilft dir irgendwie.

Viele Grüße
Sonnenscheinchen
Julia H.
Teamer(-in) 16.03.2021 17:33
Hallo liebe Ella,
ich bin Julia und arbeite als Teamerin bei Beratung4Kids. Ich freue mich, dass du dich an uns wendest!
Vielen Dank auch an Sonnenscheinchen für ihre Tipps! :)
Es klingt so, als wärst du verwirrt, was deine sexuelle Richtung angeht. Zuerst einmal muss ich sagen, dass ich es sehr schade finde, dass du dort, wo du aufgewachsen bist, schon früh mitbekommen hast, dass gleichgeschlechtliche Liebe nicht immer toleriert wird. Das ist leider in vielen Ländern sehr häufig heutzutage noch der Fall und auch oft bei uns in der Umgebung oft zu beobachten. Dabei ist es doch ganz egal, wer wen liebt, Hauptsache man findet jemanden, den man liebt und der auch einen zurückliebt. Da ist das Geschlecht ganz egal. Man sollte sich nicht schämen und Angst haben, es anderen Leuten zu sagen oder zu zeigen, sondern ganz frei damit umgehen. Man sollte sich so akzeptieren, wie man ist und es nicht als unnormal ansehen, denn das ist es absolut nicht. Sexualität ist nie eklig oder unnormal, sondern das normalste auf der Welt - jeder lebt es anders aus und auf seine Art und Weise, so wie es sich für ihn/sie am besten anfühlt. Denn Sexualität sollte etwas Schönes sein und Spaß machen und nicht einem ein schlechtes Gefühl geben. Und was ist denn schon "normal"? Wer nimmt sich das Recht zu sagen, was "normal" ist und was nicht? Das darf niemand und kann auch niemand. Jeder sollte das für sich selbst bestimmen.
Es gab schon immer Homosexualität auf der Welt, nur früher wurde es oft sehr hart bestraft, denn das "normale" Bild in der Gesellschaft war Mutter, Vater, Kind und nicht Mutter, Mutter, Kind oder Vater, Vater, Kind. So haben leider sehr viele Menschen nie ihre Sexualität ausleben dürfen/ können und haben versucht, die Gedanken zu verdrängen und eine Partnerschaft mit einer nicht-gleichgeschlichen Person geführt. Oft waren sie sehr traurig oder depressiv, da sie das eigentlich nicht glücklich machte und sie dachten, sie wären mit ihren Gedanken alleine und hätten sogar eine Krankheit. Deshalb ist es super wichtig, dass man als Kind schon frühzeitig aufgeklärt wird, dass man lieben kann, wen man will.
Ich finde es toll, dass du dich mit dem Thema viel beschäftigt hast und soweit bist, zu sagen, dass du dir vorstellen könntest lesbisch zu sein und dass du deswegen sogar stolz auf dich sein kannst. Das ist schon mal ein großer Schritt in Richtung selbstbestimmtes und freies Leben :)

Jetzt kann es aber sein, dass du vielleicht gar nicht lesbisch oder bi bist, sondern einfach an dem gleichen Geschlecht fasziniert bist. Man kann andere Frauen attraktiv und faszinierend finden, ohne, dass man lesbisch/bi sein muss. Es kann auch sein, dass du noch nicht weißt, ob du heterosexuell oder homosexuell bist, da dir die Erfahrung fehlt. Du sagst, dass der Gedanke daran, einen Jungen zu küssen sehr komisch für dich ist und der Gedanke, eine Frau zu küssen eher weniger. Jedoch kannst du wirklich erst wissen, was du fühlst während du jemanden küsst, wenn du es ausprobierst. Viele Jugendliche sind in der Pubertät verwirrt und wissen nicht so recht, ob sie auf Mann oder Frau stehen. Das ist ganz normal, da man es erst einmal ausprobieren muss, um sagen zu können, was man gut findet oder nicht. Es ist auch nicht selten, dass man z.B. als Frau auch mal eine Frau geküsst hat, jedoch aber eindeutig auf Männer steht und sich eine Beziehung mit einem Mann wünscht anstelle einer Frau. Oft muss man das aber nicht voneinander trennen. Man kann auch sexuelle Fantasien mit einer Frau haben oder sogar ausleben, ohne dass man lesbisch sein muss oder unbedingt mit einer Frau eine Beziehung führen muss. Frauen wirken auf uns oft als das attraktive Geschlecht. Sie können einfühlsamer sein als Männer und oftmals wissen Frauen auch eher, auf was Frauen stehen, da sie ja selbst das von sich wissen. Somit kann eine sexuelle Erfahrung mit einer Frau etwas schönes und aufregendes sein. Man verbindet mit Männern oft Sex und eventuell Dominanzgehabe, wohingegen mit einer Frau es auch nur zu Kuscheln und Küssen kommen kann und alles viel ruhiger und einfühlsamer sein kann. Jedoch ist nicht alles schwarz-weiß und man kann auch absolut sehr schöne, sanfte Erfahrungen mit einem Mann haben. Da spielen oft Klischees und Vorurteile leider eine Rolle, was aber oft falsch ist.

Ich denke, es ist schwer vorzugeben, lesbisch zu sein, wenn man es in Wirklichkeit gar nicht ist. Das kann man vielleicht für eine kurze Zeit machen, aber auf lange Sicht wird man selbst merken, dass man sich selber und seiner Umgebung nur etwas vorlügt und das auf Dauer zu nichts führt. Erst wenn man wirklich versucht, auf sich und seinen Körper zu hören und dem zu folgen, kann man glücklich sein. Außerdem ist es nicht viel cooler der einen oder der anderen Community anzugehören. Oftmals wird die LGBTQ+ Szene als bunt, schrill und extrovertiert angesehen. Das kann auch schon erstmal einen faszinieren und man wünscht sich ein Teil davon zu sein. Jedoch kann man auch sich mit dem Thema befassen oder die Szene unterstützen, ohne selbst eine der sexuellen Richtungen zu verfolgen. Man kann trotzdem bei Demos auf der Straße mitlaufen, sich mit den Leuten aus der Szene unterhalten und anfreunden. Man kann die Gleichberechtigung dieser Szene unterstützen, indem man Politik unterstützt, die die gleichgeschlechtliche Ehe erlaubt. Oder einfach anderen Leuten von der Szene erzählen, damit mehr Leute davon erfahren und es als "normal" ansehen. Es ist auch vollkommen "normal" sich mit Menschen aus der Szene verbunden zu fühlen. Sie werden auch oft als Vorbilder für ein freies und selbstbestimmtes Leben gesehen. Da sie oft unterdrückt oder nicht verstanden werden, hat man eher mit ihnen Mitleid oder empfindet zugleich Sympathie, weil sie für sich einstehen und dafür, wer sie sind und sich nichts vorschreiben lassen. Außerdem empfindet man es als Stärke, wenn mehrere Menschen mit der gleichen Einstellung sich zusammentun und als Gruppe auftreten, um für das einzustehen, was sie denken.

Deswegen rate ich dir - probiere dich aus! Du bist noch jung und kannst deine Sexualität entdecken. Dafür kannst du alles ausprobieren, was du möchtest, solange du niemand anderen oder dich selber damit schädigst. Alles ist erlaubt, solange es für dich und die andere(n) Person(en) in Ordnung ist, alle einverstanden sind und es sich gut anfühlt. Man muss nicht auf die Welt kommen und wissen, wer man ist und wen man liebt. Das ist eine Reise, die man gehen kann. Und vielleicht weißt du sofort, was du empfindest, wenn du dich ausprobiert hast, vielleicht aber auch nicht. Vielleicht dauert es einfach noch seine Zeit und dafür gibt es keine Altersgrenze. Es kann auch sein, dass du erst in paar Jahren rausfindest, was du wirklich magst und wen du lieben kannst und willst. Es kann sich auch in den nächsten Jahren ändern. Vielleicht siehst du dich jetzt als lesbisch an, später aber eher bi, vielleicht auch sogar heterosexuell. Vielleicht bleibt es aber auch so oder du kehrst wieder mit der Einstellung am Ende zurück, dass du auf das gleiche Geschlecht stehst. Keiner sollte dich deswegen verurteilen. Habe keine Angst davor. Die Menschen, die dich lieben, werden dich auch noch immer lieben, wenn du lesbisch/bi/a-sexuell/trans/hetero usw. bist. Denn sie stehen zu dir und machen das nicht von deiner Sexualität abhängig. Das ist nur ein Teil von dir und entscheidet nicht darüber wer du bist. Wenn es Freunde oder Familie nicht verstehen, aber dich fragen, kannst du es ihnen gerne erklären. Vielleicht können sie es dann besser verstehen und du wirst sehen, dass sie damit absolut kein Problem haben. Du musst es jedoch nicht irgendjemandem Recht machen, außer dir selbst. Das heißt, wenn es jemand nicht verstehen oder akzeptieren will, sollte das nicht dein Problem sein. Es ist sein/ihr Problem und es bestimmt nicht über dein eigenes Leben. Wenn du mit deinen Freundinnen darüber reden möchtest, weil du denkst, danach könnte es dir besser gehen und du dich leichter fühlen könntest, tu es. Vielleicht haben sie auch manchmal solche Gedanken und haben sich nicht getraut, jemandem davon zu erzählen.
Sehe es als was an, auf das du dich freuen kannst. Es ist aufregend und spannend, neue Erfahrungen zu machen. Dabei sollte man sich Zeit lassen und sich von niemandem, auch nicht von sich selber, unter Druck setzen lassen!

Und noch eine kleine Geschichte dazu: Ich habe einen guten Freund, der sehr viele Jahre immer Beziehungen mit Frauen hatte, davon sogar eine fast fünfjährige Beziehung mit einer Frau. Jedoch hat er gemerkt, dass er Männer auch irgendwie gut findet. Jedoch gab es für seine Familie keine Homosexualität bzw. die Möglichkeit, das auszuleben. Also dachte er, es sei auch nur eine Phase und hat weiterhin die Beziehung mit der Frau gehalten. Irgendwann wurde er unglücklich und hat die Beziehung beendet. Er hat viel mit seinen Freunden dann irgendwann über das Thema geredet, obwohl er Angst hatte, wie sie reagieren könnten. Alle haben zu ihm gestanden und fanden es überhaupt nicht schlimm. Irgendwann ist rausgekommen, dass einer seiner Kumpels schwul war und sich darüber auch noch nie unterhalten hatte. Die beiden haben gemerkt, dass sich zwischen ihnen Gefühle entwickeln. Das war am Anfang sehr komisch, da sie ja eigentlich schon langjährig befreundet waren. Aber irgendwann haben sie sich geküsst und viel miteinander unternommen. Sie haben gemerkt, dass sie sich gegenseitig gut tun und es nicht mehr verstecken wollen. Mein Freund hat es dann zusammen mit seinem Kumpel den Freunden und der Familie gesagt. Das war am Anfang für alle nicht leicht, vor allem für die sehr konservativen Eltern. Jedoch wollten sie auch nur, dass ihr Sohn glücklich ist und haben es mit der Zeit verstanden und akzeptiert. Sie kannten den Kumpel auch schon lange und wussten, dass er ein netter Mann ist, der gut zu ihrem Sohn sein wird. Mein Freund und sein Partner sind mittlerweile seit über 5 Jahren zusammen, leben zusammen und sind verlobt. Mein Freund ist offiziell bi und sein Partner ist schwul.

Du siehst, alles ist möglich und alles ist "normal".
Ich hoffe, ich konnte dir ein wenig weiterhelfen. Solltest du Fragen haben, kannst du mir gerne immer schreiben.
Bis dahin, alles Gute und viele Grüße *Tschüss*
Deine Julia

Julia H.
Teamerin
Beratung4Kids